Plastik bedroht unsere Meere

Der Ausflug der Klasse 8a zu einer Informationsausstellung

Am Freitag, dem 7. Juni 2019, treffen wir uns am Ende der ersten großen Pause mit unserer Deutschlehrerin Frau Liebing an den Fahrradständern der Dreieichschule, anstatt wie gewohnt in alltäglichem Trott die Treppe zu unserem Klassenraum hochzusteigen. Was ist hier los? Schon bald hat sich die ganze Klasse 8a versammelt, während sich der Schulhof von den letzten Nachzüglern leert. Der Wind weht unangenehm kühl und ungeduldig warten wir darauf, endlich loszugehen. Wir unterhalten uns angeregt über den bevorstehenden Ausflug zur Ausstellung „Plastikflut in den Weltmeeren“ der Landtagsabgeordneten Katy Walther, bei dem sich alles um Ozean- und Umweltverschmutzung drehen wird. Als es schließlich losgehen kann, freut sich ein Teil der Klasse schon sehr auf die Abwechslung vom Unterricht, der Rest fürchtet jedoch, es könnte langweilig werden. Sehr gespannt, was wohl auf uns zukommt, sind die meisten eher überrascht, als wir nach fünfminütigem Fußmarsch einen eher kleinen, nicht sehr spektakulär geschmückten Raum an der Bahnstraße betreten. Ich habe erwartet, kuriose Ausstellungsstücke wie skurrile Plastikmüllteile oder Modelle von toten Vögeln zu sehen, aber nichts dergleichen ist in dem hellen, freundlich und modern eingerichteten Raum zu finden. Stattdessen hängen Plakate an den Wänden und ein paar kunstvoll arrangierte Müllteile kringeln sich um ein gemütlich aussehendes Sofa, ein paar Tische und an einer speziell dafür aufgestellten Wand. Später erfahren wir, dass sie alle original aus der Nordsee stammen und keineswegs nur zu Dekorationszwecken gekauft worden sind. Ich spähe noch etwas ungläubig um die Ecke, erfolglos nach einem weiteren Ausstellungsraum suchend, während der Rest die Klasse eintrudelt. Nachdem sich zwei  Mitarbeiter als Corinna und Fabian vorgestellt haben, bitten sie und, Platz zu nehmen. „Ihr könnt auch stehen bleiben, wenn ihr wollt“, schlägt Corinna vor, doch bei der Aussicht auf eine lange Präsentation ziehen wir es doch vor, auf dem sauberen Boden zu sitzen, obwohl einige noch etwas skeptisch nach Stühlen oder Sitzkissen Ausschau halten. Ein paar Schüler finden auch Platz auf dem Sofa.

Zuerst schauen wir einen Film aus der Dokumentarreihe 9 ½. Die Reporterin besucht eine Wissenschaftlerin an der Nordsee, die strikt gegen Plastikmüll im Meer ist und auch etwas dagegen unternimmt: Sie fährt regelmäßig mit ihrem Boot raus und wirft Holzklötze ins Wasser. Auf diesen stehen ihre Telefonnummer und die Bitte, sie bei einem Fund zu benachrichtigen und den Fundort zu nennen. Die Holzklötze symbolisieren den Müll und anhand der Fundorte kann sie mit dieser Methode dessen Wege verfolgen. Sie sieht den Verlauf der Strömungen und erkennt auch, wo der meiste Müll herkommt. Das hilft ihr dabei, die Ursachen zu bekämpfen. Sie legt den Menschen dort zum Beispiel nahe, mehr Mülleimer aufzustellen und besser auf die Strandsauberkeit zu achten.

Nach dem Ende des kurzen Films beginnt Corinna, einen Vortrag zu halten, während Fabian für die PowerPoint-Präsentation und Gegenstände zum Herumgeben zuständig ist. Wir erfahren, dass jährlich 300 Millionen Tonnen Plastik hergestellt werden und davon 8 Millionen Tonnen im Meer landen. Auf diese Weise haben sich in den Weltmeeren schon 270 Millionen Tonnen Müll angesammelt. Unmengen von Plastik treiben umher in fünf großen Unterwasserstrudeln, von denen der Größte etwa vier Mal so groß wie Deutschland ist. Selbst in der Tiefsee und in dort lebenden Tieren hat man Mikroplastik gefunden. Der Müll kommt von Stränden, durch Flüsse und von Schiffen ins Meer. Vor allem bei letztgenannten gibt es ein großes Problem: „Bei der Reinigung bleibt das Schiff im Wasser und wird unter Hochdruck mit unzähligen Mikroplastikkügelchen beschossen. Und die werden natürlich nicht mehr aus dem Meer gefischt“, erzählt Corinna. Als „Mikroplastik“ bezeichnet man kleine Plastikteile von unter 5mm Durchmesser. Unterschieden wird zwischen primärem Mikroplastik, das wir maschinell herstellen und beispielsweise in Waschpulver, Duschgel und Zahnpasta finden können und sekundärem Mikroplastik, das vor allem durch Abrieb von Autoreifen entsteht, aber auch vom Wasser zerriebene Müllteile einschließt.

Als Nächstes sehen wir ein schockierendes Bild von toten Vögeln an einem müllbedeckten Strand –in einem Vogelschutzgebiet! „Die Vögel sterben nicht nur, weil Gifte im Plastik enthalten sind, sondern vor allem, weil bei all dem unverdaulichen Stoff im Magen kein natürliches Futter mehr hineinpasst“, erklärt Corinna, „Sie verhungern einfach“ Als ich mich umschaue, sehe ich lauter betroffene Gesichter. Dass nicht nur Fische, sondern auch sämtliche andere Strandtiere leiden und sterben, hätten wir nicht alle bedacht.

Doch was genau ist eigentlich dieses „Plastik“, dieser Stoff, der so viele Probleme verursacht? Wir lernen, dass per Definition mit „Plastik“ oder „Kunststoff“ alle künstlich vom Menschen produzierten Stoffe bezeichnet werden, also alles, was nicht in der Form in der Natur zu finden ist. Das große Problem liegt darin, dass Plastik so lange braucht, um sich aufzulösen. Während eine Bananenschale und eine Papiertüte in rund einem Monat wieder in ihre natürlichen Bestandteile zersetzt sind, sieht das aus wie ein Witz gegen eine gebräuchliche Plastiktüte. „Was meint ihr, wann hat die sich aufgelöst?“, fragt Corinna und Hana schlägt vor: „Niemals, oder?“ So Unrecht hat sie damit nicht, denn Kunststoff wird nur immer kleiner und kleiner. Bis die Plastiktüte dann so klein ist, dass sie niemandem mehr schadet, können zehn bis zwanzig Jahre vergehen. Ein Plastikbecher braucht 50 Jahre, eine Pfandflasche sogar 450 Jahre, bis sie nicht mehr zu sehen sind. Doch mit ganzen 600 Jahren toppt die Angelschnur sie alle zusammen. Sie ist nicht nur Müll, der unerwünscht im Meer herumdümpelt, sondern auch eine Gefahr für Meerestiere, die sich darin verfangen können.

Seit den 1950er Jahren begegnet uns Kunststoff regelmäßig in unserem Alltag. Obwohl die Menschen vor dieser Zeit ohne bedeutende Nachteile zurechtgekommen sind, scheint es nicht leicht, den Kunststoffgebrauch von heute auf morgen einfach wieder einzustellen. In so gut wie allen Gegenständen, Kleidungsstücken und Gebäuden ist heute Plastik enthalten. Doch etwas können wir alle tun, um zumindest nicht alles noch viel schlimmer zu machen, als es sowieso schon ist. Nach dem Drei–R-Prinzip „Reduce–Reuse-Recycle“ sollten wir an erster Stelle versuchen, so wenig Plastik wie möglich zu konsumieren. Als Alternative zu Plastikstrohhalmen werden Trinkhalme aus Metall herumgereicht, die zwar teurer, aber dafür umso öfter wiederzuverwenden sind. Man kann auch Glasflaschen und unverpacktes Obst kaufen, anstatt jedes Mal unnötiges Plastik wegzuwerfen. „Plastik ist eben billiger, aber eine schöne Thermoskanne hält auch länger“, rät uns Corinna. Außerdem sollten wir versuchen, das Plastik, welches wir kaufen, so oft wie möglich wiederzuverwenden. Leonie erzählt: „Wir verwenden unsere leeren Joghurteimer immer für das Kaninchenfutter“ Den Müll zu recyceln ist nicht immer die beste Wahl: Vom gesamten fachgerecht getrennten Plastikmüll werden nur 16% wirklich wiederverwertet. Der Rest wird verbrannt oder in andere Länder exportiert, wo er auf gigantischen ungesicherten Mülldeponien liegt und leicht ins Meer geweht werden kann. „Vor allem schwarzes Plastik ist ein Problem“, warnt Corinna, „die Maschinen auf der Sortieranlage können es nicht vom Fließband unterscheiden“ Fabian ist sich sicher: „Das Allerwichtigste, das jeder tun kann, ist einfach auf das Wegwerfplastik zu verzichten. Wir haben nur die eine Erde und wenn sie zerstört, verseucht und aufgebraucht ist, dann stehen wir da und wünschen, wir hätten uns früher Gedanken gemacht. Also handelt, solange es nicht zu spät ist!“

Als Abschiedsgeschenk bekommen wir einen Flyer, auf dem die wichtigsten Informationen noch einmal zusammengefasst sind und eine umweltfreundliche Zahnbürste aus Holz, die wir laut Corinna getrost „ins Meer schmeißen“ können. „Genau“, witzelt Paula, „wenn ich das nächste Mal ans Meer fahre, nehme ich die mit!“ Zum Abschluss wird noch ein Klassenfoto vor dem Hintergrund der Umweltplakate geschossen. Die meisten von uns wollen es in Zukunft einmal mit der neuen Zahnbürste probieren und –was viel wichtiger ist –noch mehr auf ihren Plastikkonsum achten. „Ich finde es gut, dass sie das den Schulklassen erklären“, meint Paula und ich kann ihr nur beipflichten: „Man hat gesehen, dass die beiden überzeugt von ihrer Sache sind und dass ihnen die Ozeane wirklich am Herzen liegen“ Wie werden wohl alle künftig darauf achten, dass wir etwas für die Umwelt tun und Plastikmüll so gut wie möglich vermeiden.