Ausflug in die Welt der exotischen MATERIE – und der verlorenen ANTIMATERIE

Eine Gruppe von SchülerInnen der Dreieichschule der Jahrgangsstufen 11 - 13 aus Philosophie-, Religions- und Physik-Kursen besuchten am 3. Dezember 2024 in Begleitung ihrer Lehrkraft Johannes Dittmer einen öffentlichen Abendvortrag an der Technischen Universität Darmstadt.

Thematisch ging es unter dem Titel „Exotische Materie“ um einerseits spannende „Einblicke in die Entstehung des Universums“, einen Streifzug durch knapp 14 Milliarden Jahre - und damit zugleich auch um einen „Ausflug in die rätselhafte Welt der Antimaterie“, um Symmetrieprobleme sowie bei alledem nicht zuletzt auch um grundlegende Fragen von Erkenntnistheorie und die Grundlagen der Forschungslogik.

Anlass der Veranstaltung war das 70-jährige Bestehen des CERN in Genf, einem internationalen Großforschungszentrum ( https://www.weltmaschine.de/cern_und_lhc/cern/ ).

Der Referent, Prof. Dr. Klaus Blaum, Direktor des Max-Planck-Instituts für Kernphysik und vielfach international mit verschiedenen Preisen ausgezeichneter Physiker (https://www.mpg.de/458596/kernphysik-blaum ) entführte die Zuhörenden im erfreulicherweise fast bis auf den letzten Platz besetzten großen Hörsaal des „Maschinenhauses“ der TUD auf eine spannende Forschungs-Reise im Grenzbereich von PHYSIK und PHILOSOPHIE.

Auf dieser – vor diesem Hintergrund verständlicherweise zum Teil auch durchaus anspruchsvollen Reise - wurden nicht nur auf den ersten Blick vordergründige Fragen gestellt (und versucht zu beantworten), wie z.B. die, warum es mehr Materie als Antimaterie gibt, wie schwere Elemente entstehen und warum beispielsweise Eisen häufiger als Gold ist.

Sondern man konnte durch die Art des Vortrags auch sehr anschaulich „Forschungslogik“ in Aktion verfolgen. Das heißt den Weg, wie man von Beobachtungen von Phänomenen über induktive Schlüsse, Fragen und Hypothesenbildungen (Abduktionen), Prüfverfahren und deduktive Schlüsse zu neuen Ergebnissen kommt – oder dazu, die Hypothesen zu modifizieren oder zu verwerfen, weil sie sich als nicht tragfähig erweisen.

Dabei wurden auch konkrete Artekfakte in Gestalt von u.a. eigens dafür entwickelten und gebauten Hochpräzisionsfallen zur Speicherung von Atomkernen mitgebracht, sog. Penning-Fallen (https://www.mpi-hd.mpg.de/mpi/fileadmin/bilder/Infomaterial/Flyer/Penningfallen20.pdf).

Die ZuhörerInnen wurden immer wieder selber zum eigenen Nachdenken angeregt und aufgefordert, eigene Vermutungen oder Lösungsvorschläge für Probleme zu äußern und Fragen zu beantworten.  Der Vortrag wies zwei Schwerpunkte auf.

Einen ersten Schwerpunkt bildeten verschiedenste Versuche zur Beantwortung der Frage, wie sich die fehlende Symmetrie zwischen Materie und Antimaterie erklären lässt. Die Antimaterie, d.h. die Antiteilchen, eine Art Spiegelbild der normalen Materie (https://www.familie.de/artikel/was-ist-antimaterie-einfach-erklaert-fuer-kinder--ww3pmfrh69), scheint ja offenbar irgendwie „abhanden gekommen“ zu sein. Jedenfalls müsste es viel mehr davon geben – nämlich genau so viel Antimaterie wie Materie. …

Beim Prozess der Materie-Antimaterie-Annihilation werden beide vollständig vernichtet – unter Freisetzung von Energie. Man spricht bei der Annihilations-Reaktion auch von „Zerstrahlung“. Die in den Teilchen - gemäß der Äquivalenz von Masse und Energie - steckende Energie tritt dann in anderer Form wieder auf, als Licht, Gammastrahlung und/oder in Form anderer, leichterer Teilchen. Generell geht man davon aus, dass beim Urknall genauso viel Materie wie Antimaterie entstanden ist. Bei einer Annihilation „verschwinden“ Materie und Antimaterie zu gleichen Teilen. Dennoch scheint unser Universum fast nur aus Materie zu bestehen. (https://www.helmholtz.de/newsroom/artikel/der-antimaterie-auf-der-spur/)

Aber wie kann das sein? Nach umfangreichen Versuchsreihen und Studien – sowohl am CERN in Genf wie auch an der GSI in Darmstadt zeigten sich die Eigenschaften von Materie und Antimaterie bis in zahlreiche Nachkommastellen hinein als exakt gleich. Eine plausible Antwort auf die Frage steht also noch aus.

Manche sind deshalb ja auch der Meinung, die Antimaterie sei „gestohlen worden“. … Wem fällt da nicht sofort der Thriller „Illuminati“ von Dan Brown ein, der um den- im CERN in Genf ! ( … wo auch sonst … ) -  ermordeten Physiker und Theologen Leonardo Vetra kreist, auf dessen Brust ein Ambigramm, d.h. ein symmetrischer Schriftzug oder Symbol ( Illuminati ) eingebrannt ist.

Ein zweiter Schwerpunkt des Vortrags widmete sich dann unter dem Motto „Der Weg zum Gold" der Frage nach den Gesetzmäßigkeiten in der Elementzusammensetzung des Sonnensystems, der Isotopenverteilung und ihrer Entstehung sowie konkret der Nukleosynthese.

Einzelne der teilnehmenden SchülerInnen des Physik-LK der DSL beteiligten sich dabei nicht nur lebhaft und mutig in der Plenumsdiskussion, sondern nutzen dann auch die Gelegenheit, im Rahmen der sich an den Vortrag (samt Frage- und Diskussionsrunde) anschließende Ausstellung von Postern und physikalischen Geräten im Untergeschoss (z.B. Penningfallen zur Speicherung von Protonen) – Leihgaben des Deutschen Museums München – das persönliche Gespräch mit Prof. Klaus Baum zu suchen, der sich über so interessierte und auch so kundige SchülerInnen ausgesprochen erfreut zeigte. Die Gelegenheit so unmittelbar im persönlichen, offenen und entspannen Gespräch mit einem so herausragenden und renommierten Wissenschaftler eigene Fragen zu stellen und beantwortet zu bekommen – und auch über Persönliches zu sprechen, hat man ja nicht alle Tage.

Angefangen hat es für Klaus Blaum mit seiner Karriere - eigener Aussage zufolge - übrigens mit zwei „tollen Mathe- und Physiklehrern“. Ihrem Engagement sei es zu verdanken, dass er voller Freude ins Studium an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz startete.

Aber das wusste man eigentlich schon immer: wie entscheidend die Anregungen, Impulse und die Weckung von Begeisterung und Neugier bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen durch die sie unterrichtenden Lehrkräfte letztlich sein können.

Von daher nimmt es nicht wunder, dass der Besuch dieser Vortragsveranstaltung manche der Zuhörenden sicher auch in ihrer Studienwahlentscheidung - wenn nicht beeinflusst, so doch vielleicht zumindest bestärkt hat.

Schließlich hat die Veranstaltung manche TeilnehmerInnen ermutigt, die sich gerade hier im Rhein-Main Gebiet Schülerinnen und Schülern so zahlreich bietenden Möglichkeiten des Besuchs akademisch-universitärer Veranstaltungen intensiver zu nutzen.

Text: Dr. Johannes Dittmer, Bilder: Raphael Kuhn