Impressionen eines Schüleraustausch im Rahmen des Brigitte Sauzay Programms

Am 22. Januar 2023 werden Deutschland und Frankreich das sechzigjährige Bestehen des deutsch-französischen Elyséevertrag feiern. Der 1963 von Charles de Gaulle und Konrad Adenauer unterzeichnete Vertrag legte einst den Grundstein für die Freundschaft zwischen Deutschland und Frankreich.

Grund genug für uns jetzt schon auf dieses schöne Jubiläum hinzuweisen. Wir möchten dies einfach tun, indem wir auf die tollen Erfahrungen, die zwischen deutschen und französischen Jugendlichen auch an der Dreieichschule statthaben, einmal aufmerksam machen.

So fand dieses Jahr etwa ein individueller Schüleraustausch zwischen Charlotte Keilwerth, Schülerin der DSL (Klasse 10b), und Laurène Leguen, Schülerin des französischen Gymnasiums Camille Claudel in Blois (Frankreich), statt. Was die beiden Schülerinnen sowohl in Deutschland wie auch in Frankreich erlebt haben, könnt ihr hier erfahren.

I.A. BOE

Bericht von Charlotte Keilwerth aus der 10b der Dreieichschule

Vor circa 2 Jahren habe ich meiner Französischlehrerin mitgeteilt, dass ich mich für einen Schüleraustausch in Frankreich interessiere. Wegen der Pandemie habe ich meine Pläne aber erst einmal aufs Eis legen müssen und habe abgewartet, wie sich die Lage entwickelt. Doch letztes Jahr ging dann plötzlich alles sehr schnell: ein Mädchen aus Blois in Frankreich hatte auch Interesse an einem 3-monatigen Austausch. Im Juni 2022 haben wir Laurène dann bei uns aufgenommen und so hat sie die folgenden drei Monate in Deutschland verbracht. Wir hatten viel Spaß zusammen und haben viele deutsche Städte besucht.
Am 29. August 2022 sind wir dann zusammen mit dem TGV nach Frankreich gefahren. Am Bahnhof in Paris wurden wir von Laurènes Mutter, sowie ihrem Stiefvater abgeholt und sind dann mit dem Auto zwei Stunden nach Mont-près-Chambord neben Blois gefahren, wo Laurène wohnt.
Wir hatten noch etwa eine Woche Ferien und dann begann das Schuljahr (la rentrée). In der Schule habe ich dann auch die meiste Zeit in Frankreich verbracht, schätze ich. Von 8.05 Uhr bis 17.45 Uhr ging die Schule im Normalfall, nur mittwochs hatten wir von 10 Uhr bis 12 Uhr Unterricht. Man kann sich also vorstellen, dass die ersten Wochen sehr anstrengend für mich waren. Nach einer Weile habe ich mich aber an den langen Schultag gewöhnt und wusste nun auch genau, welche Fächer besonders anstrengend waren, und welche ich am liebsten mochte. Der Englischunterricht hat mir am besten gefallen. Generell hatte ich in Frankreich sehr viel mehr Englisch, als in Deutschland. Das lag auch daran, dass Laurène als Leistungskurs (spécialité) LLCE gewählt hatte. In dem Fach beschäftigt man sich mit literarischen Texten auf Englisch. Beispielsweise haben wir die Kurzgeschichten „The Tell Tale Heart“ und „The House of Usher“ von Edgar Allan Poe gelesen und auch analysiert. In LLCE haben wir viele Referate und Vorträge gehalten, was sehr viel Spaß gemacht hat. In den anderen Fächern blieb so etwas aus. Man hatte nämlich nur selten die Möglichkeit etwas zum Unterricht beizutragen, da die Lehrer oft die Schulstunde lang ihren Unterrichtsstoff diktiert und erklärt haben, aber nur wenige Fragen gestellt haben.
Anfangs war es für mich ziemlich schwierig dem französischen Unterricht zu folgen, weil ich viele Wörter nicht kannte und auch, da wir die meisten Themen in Deutschland noch nicht hatten. (Das liegt auch daran, dass ich in Deutschland in die 10. Klasse (troisième) gehe, und in Frankreich in der 12. Klasse (première) war. Trotzdem waren alle Schüler der Klasse in meinem Jahrgang, denn die Franzosen fangen in einem jüngeren Alter mit der Grundschule an, weswegen sie auch früher ihren Abschluss machen). In den letzten Wochen in Frankreich konnte ich den Unterricht dann endlich einigermaßen gut verstehen.
Nach den Herbstferien habe ich dann auch in Arbeiten wie Erdkunde, Bio und Physik mitgeschrieben. Wahrscheinlich waren die Ergebnisse nicht besonders gut (die Arbeiten werden erst zurückgegeben, wenn ich wieder in Deutschland bin), aber immerhin konnte ich zeigen, dass ich im Unterricht etwas verstanden habe. In den Fächern Französisch und Philosophie war es aber bis zum Ende schwer, die vielen Texte, oft Dramentexte in alter französischer Sprache, zu lesen.

Der Weg zur Schule und zurück war jeden Tag sehr lang. Wir mussten zwei Busse nacheinander nehmen um von Mont-près-Chambord nach Blois zu unserer Schule Camille Claudel und zurück zu kommen. Insgesamt waren wir zwei Stunden am Tag im Bus und sind abends erst um 19 Uhr zu Hause angekommen. Da blieb einem mit den Hausaufgaben, die man auch noch erledigen muss, nur sehr wenig Zeit für seine Hobbys. In Deutschland spiele ich im Verein Basketball und Tischtennis und spiele auch Geige, weswegen es für mich ohne meine Hobbys sehr ungewohnt war und mir natürlich auch sehr gefehlt hat. Deshalb habe ich in meiner dritten Woche angefangen bei Agglo Basket in Vineuil, Basketball in zu spielen. Von Anfang an habe ich mich in meiner Mannschaft sehr wohl gefühlt und hatte nach einer Woche eine Lizenz, damit ich an den Wochenenden bei den Spielen mitspielen konnte, die wir übrigens alle gewonnen haben. Das Training, drei Mal in der Woche, war nach der ganzen Schule sehr wichtig für mich, vor allem, weil ich im Basketballteam sehr viele neue Freunde gefunden habe.
Auch in der Schule habe ich viele nette Leute kennengelernt und auch Freunde abseits von Laurènes Freundeskreis gefunden. Beispielsweise habe ich in den Pausen oft mit einer Italienerin geredet, die für ein Jahr lang in Frankreich bleibt. Im Gegensatz zu mir konnte sie aber fast perfekt französisch sprechen, da ein Teil ihrer Familie französisch ist. Wir haben dann oft über die Unterschiede zwischen Frankreich, Italien und Deutschland gesprochen und sind beide der Meinung gewesen, dass die Schule eindeutig zu lang ist.
Wir hatten auch einige Freistunden, die wir am Anfang des Schuljahres noch für Kartenspiele oder Tischkicker genutzt haben, aber mit der Zeit haben wir mehr und mehr Hausaufgaben bekommen, weshalb wir am Ende meiner Zeit in Frankreich fast jede Freistunde in der Schülerbücherei (CDI) zum Arbeiten verbracht haben. Trotz den ganzen Hausaufgaben finde ich, dass man in der Schule in Frankreich weniger Leistungsdruck hat. Vielleicht deswegen, weil man sehr viel mehr Arbeiten schreibt (manchmal drei am Tag). Da ist es dann nicht schlimm, wenn eine Arbeit nicht gut lief, weil man sie mit der nächsten ausgleichen kann.
In Frankreich konnten wir leider nicht besonders viele Besuche von Städten machen, was auch an der vielen Schule lag. Dafür war das, was ich von der Umgebung gesehen habe, umso schöner. Zum Bespiel waren wir im Schloss in Blois und auch im Schloss Chambord. Es war sehr, sehr spannend sich die beiden Schlösser anzuschauen, weil man die Möglichkeit hatte sich ein Tablett auszuleihen, auf dem man Infos zu allen Räumen des jeweiligen Schlosses bekam und sich auch ansehen konnte, wie das Schloss vor einigen hundert Jahren einmal ausgesehen hat.
Meine Reise nach Frankreich hat mir sehr gut gefallen. Es war interessant die kulturellen Unterschiede zu entdecken und mein französisch hat sich auch verbessert. Ich bin sehr froh, dass ich all das erleben konnte und so viele nette Menschen kennengelernt habe.

Bericht von Laurène Leguen vom Camille Claudel Gymnasium in Blois (Frankreich)

Gegen November 2021 erzählte uns mein Deutschlehrer Herr Richefeux von einem sechsmonatigen Schüleraustausch. Das Programm heißt Brigitte-Sauzay. Es beinhaltet einen dreimonatigen Aufenthalt in Deutschland und, dass man seinen Austauschschüler drei Monate bei sich aufnimmt. Da ich mich sehr für die deutsche Kultur, sowie das Leben in Deutschland interessierte, war es für mich wie selbstverständlich, sich anzumelden. Nachdem ich monatelang nicht wusste ob, und wann der Austausch stattfinden würde, bekam ich endlich die Neuigkeit: Eine Schülerin der 9. Klasse, Charlotte Keilwerth, war bereit den Austausch mit mir zu machen.
Also fuhr ich am 3. Juni 2022 mit dem Zug aus Paris nach Frankfurt. Nach einer zweistündigen Verspätung kam ich um 20 Uhr am Hauptbahnhof an, wo ich dann auf Charlotte und ihre Familie traf. Von dort aus nahmen wir dann die S-Bahn nach Egelsbach, einem Ort in Südhessen, wo Charlotte wohnt.
Die Ferien begannen am 22. Juli, sodass ich fast 2 Monate in der deutschen Schule verbrachte. Besonders überraschte mich, dass jede Unterrichtsstunde nur 45 Minuten dauerte (in Frankreich 55 Minuten) und, dass die Schüler so viel Freizeit hatten!
Mit dem 9-Euro Tickets hatten wir die Möglichkeit einen Klassenausflug nach Heidelberg zu machen. Außerdem waren wir mit der Französischklasse in Straßburg und im Unterricht oft Eis essen. Man konnte merken, dass die Ferien vor der Tür standen.
Die Unterrichtsstunden vergangen immer sehr schnell, sodass ich oft das Gefühl hatte, mich gerade erst hingesetzt zu haben und nach kurzer Zeit schon wieder aufstehen zu müssen.
Der Unterricht war auch anders gestaltet als in Frankreich: In Chemie Magneten zur Veranschaulichung des Aufbaus eines Atoms, in Powi eine Debatte, gestaltet als eine Fernsehsendung, oder im Deutschunterricht Theaterstücke erfinden. Die Schulstunden waren viel spannender als in Frankreich und auch die Vermittlung des Lernstoffes hat mir besonders gut gefallen. Die Schule in Deutschland geht normalerweise nur von 7.45 Uhr bis 13.00 Uhr, weshalb man wenig Zeit mit seinen Freunden in der Schule verbringt. Zwar gibt es zwei Pausen von 15 Minuten, aber diese Zeit reicht meiner Meinung nach nicht aus. In Frankreich verbringen wir den ganzen Tag in der Schule mit unseren Freunden und das hat in Deutschland einfach gefehlt. Das ist auch der Grund, warum ich das französische Schulsystem bevorzuge.
Das Leben in Deutschland ist viel dynamischer, finde ich. Es gibt am Nachmittag keinen, oder sehr wenig Unterricht, weshalb viele außerschulischen Aktivitäten nachgehen. In Charlottes Klasse hatte jeder mindestens ein Hobby, wie beispielsweise eine Sportart. In meinem Freundeskreis hingegen macht nur eine Person Sport (in einem Verein). In meiner Klasse macht mehr als die Hälfte nichts nach der Schule. Meine Austauschpartnerin spielt Basketball und Tischtennis im Verein. Außerdem hat sie Geigen-Unterricht bei einer Lehrerin und spielt in einem Schulorchester. Einmal habe ich bei einer Geigenstunde zugeschaut. Es war nett, aber auch ein bisschen langweilig für mich. Dafür konnte ich beim Tischtennistraining mitmachen und es hat mir sehr gut gefallen. Ich habe viele nette Leute getroffen, sowie meine Techniken verbessert.
In Deutschland beteiligen sich die Schüler auch mehr mündlich im Unterricht. In der Klasse machen alle mit, sogar die Schüler mit größeren Schwierigkeiten. Bei uns in Frankreich meldet sich außer vier, fünf Schülern keiner.
Ich verstehe mit sehr gut mit meiner Austauschpartnerin. Sie ist sehr nett und wir haben immer viel Spaß zusammen. Auch ihre Familie ist gastfreundlich und offen. Mit Charlottes Schwester zusammen war ich ein paar Mal im Schwimmbad, was mir auch gut gefallen hat. In den Ferien war ich zwei Wochen alleine mit Charlottes Eltern, weil Charlotte und ihre Schwester in einem Basketball-, und Musikcamp waren. In der Zeit habe ich viel mit Charlottes Eltern geredet und wir haben auch viel gelacht.
Ich muss sagen, dass sich mein Deutsch ziemlich verbessert hat, aber ich hatte auch nichts anderes erwartet. Jeden Tag habe ich nützliche Wörter gelernt, die ich vorher nicht kannte und alltägliche Abkürzungen kennengelernt. Charlottes Vater hat mir gerne von den vielen deutschen Akzenten erzählt (über den bayrischen hat er sich oft lustig gemacht). Ich fand es aber öfters schwierig mich zu trauen auf Deutsch zu sprechen, weil ich ziemlich schüchtern bin. Manchmal, besonders am Anfang haben wir viel englisch gesprochen.
Es war auf jeden Fall ein sehr bereichernder Austausch und es hat mir sehr gut gefallen!